Samstag, 27. Juni 2009

Twitter. Na und?

Die ganze Welt ist scheinbar verrückt nach Twitter, zumindest summt und brummt es so im Internet. Aber warum? Was macht diesen maximal 140 Zeichen langen Internet-SMS-Service so genial?

Ich schicke eine kurze Text-Nachricht auf einen Server und alle jene, die sich als meine 'Jünger' bzw. follower angemeldet haben, können in kurzer Zeit sehen, dass es bei mir regnet, ich mir in den Finger geschnitten habe oder Claudia eine blöde Schlampe ist. Toll! Man kann die Nachrichten direkt im Netz, mit einem Twitter Client auf dem Computer oder auf dem Handy empfangen, bzw. ver-folgen.

Seit Obama Twitter für den Wahlkampf entdeckte, gibt es kaum noch irgendeine Zeitung, TV-Sender oder Organisation, die nicht einen Twitter-Account hat und ihn kräftig nutzt. Jede noch so kleine Meldung wird in 140 Zeichen komprimiert und in die Welt ge-zwitschert. Frisst ja kein Brot, wie mein Onkel immer so sagte.

Wenn man ein fleißiger Follower von, sagen wir, fünfzig dieser aktiven Twitterer ist, kann man dem Vorbeifließen der Tweets zugucken, wie etwa dem Niagarafällen. Ein stetes Text-Vorbei-Rauschen ohne jede Struktur und Ordnung aber mit dem schönen Gefühl, dabei zu sein. Inzwischen gibt es dazu passend jede Menge praktische Tools, wie Filter, Kurz-URLs, Hashtags usw. Alle nur dafür erfunden, um der Flut Herr zu werden oder das 140 Zeichen Diktat zu erweitern.

Der Twitter-Hype ist berechtigt, wenn man sich die nackten Zahlen anschaut. Das Ganze wurde 2006 in die Welt gesetzt und hat seitdem täglich weltweit etwa 50.000 neue User gewonnen. Allerdings bleiben davon weniger als 40% dabei, besser gesagt, sie melden sich nicht ab. Wie viele von jenen wirklich aktiv sind, ist nicht zu ermitteln. Es gibt aber sicher Situationen, wo der Dienst besonders gefragt ist, z.B. aktuell während der iranischen 'Wahlen'.

Irgendjemand hat mal zynisch formuliert: "Twitter ist ein Werkzeug, unwichtige Nachrichten an Personen zu senden, die einem vollkommen egal sind, damit sie sie nicht lesen." Und ich kann darin viel Wahrheit erkennen. Wo genau der Vorteil gegenüber anderen Systemen liegt, wird mir nicht klar. Wenn ich jemandem konkret etwas mit wenigen Worten mitteilen möchte, kann ich auch SMS nutzen, sogar mit Ankunftsbestätigung. Oder ich schicke eine email. Wenn ich mich aber tiefer mit einem Thema befassen will, geht kein Weg an einer ausführlichen Internetrecherche vorbei.

Twitter ist schnell, okay, aber was habe ich davon, wenn ich im Nachrichtenmüll ersticke, oder meine Filter so streng setzen muss, dass ich nur ein paar ausgewählte Meldungen mitbekomme aber die wichtigen verpasse?

Angeblich sollen Google und Facebook schon scharf drauf sein, Twitter zu kaufen, es wird von 500 Milionen $ Marktwert gemunkelt. Bloß wofür? Bis heute haben die Erfinder noch nicht eine Cent damit verdient. Und wie, wenn nicht mit Werbung, soll das auch gehen. Bloß, Werbung braucht Platz und wir haben nur 140 Zeichen – ich verstehe es nicht! YouTube, von Google für 1,6 Milliarden(!) $ gekauft ist bis heute ein Millionengrab, mal abgesehen vom ständig wachsendem Copyright-Ärger.

Und dann ist da noch dieses bedenkliche Follower-System. Genauso wie bei MySpace, Facebook oder allen anderen Communities ist die Anzahl der 'Freunde' oder eben 'Folgenden' die Währung, mit der Prominenz und damit Bedeutung vorgegaukelt werden soll. Aber wie aussagekräftig ist es, wenn irgendein mittelmäßiger Schauspieler über eine Million Folllower hat? Ist er damit wichtiger als der Dalai Lama? Oder Barak Obama? Ich erkenne hier wieder nur ein Mittel um die menschlichen Umgang zu technisieren und damit immer kälter, gefühlloser zu machen. Nichts gegen Gezwitscher, aber bitte von echten Vögeln im Park an einem lauen Sommerabend, während ich mit meinen Liebsten und Freunden echte Würstchen auf einem echten Grill brate und dabei jemand eine echte, leicht verstimmte Gitarre spielt und dazu singt, aus ganzen Herzen!


Hier noch ein lohnender Gedanke zum Untergang der 'Sendeblase'.